Konferenz

Logisch - Logistik! ver.di-Konferenz zur Zukunft der Logistik

19.06.2013

19.6.2013 +++ Logistik, ein Schwergewicht in der Wirtschaftswelt, wird von Kunden immer noch als ein Kostenfaktor betrachtet und nicht als ein Leistungsfaktor. Doch nicht nur dieser Imagewechsel tut not. Auch die Wertschätzung der Arbeit in der Logistik selbst ist deutlich ausbaufähig.

 
ver.di-Konferenz zur Zukunft der Logistik

2,8 Millionen Beschäftigte waren im Jahr 2011 in Deutschland in der Logistik tätig sowie weitere 0,6 Millionen Beschäftigte in der Logistik-Zulieferwirtschaft. Hinzu kommen rund 1,7 Millionen Arbeitsplätze durch Logistik-induzierte Beschäftigung in ferneren Wirtschaftsbereichen. Wie sich die Branche, Warenflüsse und Wertschöpfungsketten entwickeln werden, welche IT-Potenziale in der Logistik stecken, was Green Logistics wirklich ist, darüber informierten sich ehren- und hauptamtliche ver.di-Kolleginnen und -Kollegen. Sie diskutierten mit Vertretern von Universitäten und Fachhochschulen sowie Verbänden und Führungskräften aus Unternehmen. ver.di hatte sie vom 17. bis 18. Juni zur Konferenz „Logisch – Logistik!“ nach Berlin eingeladen. Auf der Tagesordnung ganz oben standen die Arbeitsbedingungen in der Logistik und die Anforderungen an eine moderne Tarifpolitik. Tarifexperten von ver.di, Verbandsvertreter des Gewerbes und Geschäftsführer großer Unternehmen erörterten dazu Detailfragen.

„Kaum eine andere Branche ist vom weltwirtschaftlichen Auf und Ab so stark abhängig. Sie gilt als Indikator für Wirtschaftswachstum, ebenso als Gradmesser für heraufziehende Wirtschaftskrisen. Die fortschreitende Globalisierung von Warenströmen und Produktionsprozessen ist ohne innovative Dienstleistungen in der Logistik undenkbar. Logistikunternehmen sind gefordert, ständig ihre Produktivität und damit auch die Produktivität ihrer Kunden zu steigern.“ Damit skizzierte die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis den wirtschaftlichen Stand der Branche. Mit ihren Ausführungen zur Situation der dort Beschäftigten umriss sie auch das Spannungsfeld der Logistikbranche: „Die Folgen dieses Wandels für die Beschäftigten der Branche sehen wir als gewerkschaftliche und betriebliche Interessenvertreter Tag für Tag. Arbeitsprozesse werden flexibilisiert, die Arbeitsbelastung steigt, prekäre Beschäftigungsformen nehmen zu, Lohn- und Sozialdumping greifen weiter um sich."

Professor Dr. Christian Kille vom ‧Institut für angewandte Logistik der Hochschule Würzburg-Schweinfurt, analysierte die wirtschaftlichen Perspektiven der Logistik. Es habe sich viel verändert. Viele Logistiker seien heute so breit aufgestellt, dass sie innovative Sachen anböten, sogar Ingenieurtechnik und Finanzdienstleistungen. Die Logistik sei ein Schwergewicht der gesamten Wirtschaftswelt. Ihr Finanzvolumen, 223 Milliarden Euro im Jahr 2011, „ist größer als eine der Schlüsselindustrien Maschinenbau, Chemie oder Ernährung.“ Interessant für Logistikunternehmen sei die Kontraktlogistik; also auf den Kunden zugeschnittene komplexe Logistikpakete mit unterschiedlichsten Dienstleistungen und mit mehrjähriger Vertragsbindung. Sie habe ein signifikantes Geschäftsvolumen im siebenstelligen Bereich. Kille verwies darauf, dass bisher nur ein kleiner Teil, 25 Prozent des Industriebereichs, 35 Prozent in der Konsumgüterlogistik, an Logistikdienstleister vergeben sei. Der andere Teil werde noch durch Industrie und Handel geleistet. Zudem zeige sich, dass zwei Drittel der nachgefragten logistischen Dienstleistungen mit besonderen Anforderung an das Handling einhergingen. Es sei eine folgerichtige Entwicklung, wenn der Logistiker, der das Produkt abliefere, auch noch die Montage erbringe. Das alles habe Auswirkungen auf die Beschäftigung. Das Bild des Logistikbeschäftigten werde sich weiter ändern. „Das Schlimme ist nur, dass die Logistik ein Kostenfaktor ist und nicht ein Leistungsfaktor. Wir haben hier noch einen Imagewechsel durchzuführen, es in die Köpfe zu bringen, dass Logistik etwas kostet und die Qualität in der Logistik kostet dann auch was.“

In der Diskussion über die Arbeitsbedingungen in der Branche wurde genau das immer wieder deutlich: Innovation, Verlässlichkeit und guter Service wird zwar vom Kunden verlangt, aber soll so wenig wie möglich kosten. Professor Dr. Rudolf Large von der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart stellte dazu die Ergebnisse einer Untersuchung vor, wie Einkäufer von Logistikdienstleistungen die nationale Nachhaltigkeitsstrategie berücksichtigen: Ökologie sei für sie dabei noch interessant, aber letzten Endes nicht entscheidend. Bei Themen wie ‧Arbeitnehmerbeschäftigung, Qualifikation älterer Arbeitnehmer, Arbeitsbedingungen, da höre es dann schnell auf – vor allem dann, wenn es kostenwirksam werde. „Unser Fazit“, so Large, „ohne Druck von Externen geht es wohl nicht. Es muss ein gewisser staatlicher Rahmen geschaffen werden“, sonst werde man nicht weiter kommen.

Mario Klepp, Bundesfachgruppenleiter Speditionen, Logistik und Kurier-, Express-, Paketdienste in ver.di, sprach darüber, was es für die Kolleginnen und Kollegen in der Logistik bedeutet, die outgesourcte Arbeit zu leisten. Denn Unternehmen, die ihre Abläufe um jene verschlanken, die nicht zur Kernkompetenz gehören, wollen Arbeitsleistung billiger einkaufen und das gelänge ihnen bei vielen Logistikdienstleisten. Dieser Kostendruck führe dann zu Arbeitsverdichtung, Überstunden, Arbeitszeitverstößen, untertariflicher Bezahlung und vermehrt zum Einsatz von Leiharbeit, Werkverträgen und Subunternehmern. Harte Fakten lieferte dazu die von der Bereichsleiterin Sigrun Schmid vom ver.di-Bundesfachbereich vorgetragene Studie zu „Gute Arbeit“ in der Logistik (pdf, 1MB).

Schaue man auf die Branche, so Professor Dr. Christian Kille, „dann ist es ein heterogenes Feld von ungefähr 70 000 verschiedenen Unternehmen, die sich gegenseitig die einzelnen Aufträge abluchsen, Preiskampf ohne Ende und dazu noch ein vielstimmiges Gewirr von lobbyarbeitenden Verbänden“. Solange das so sei, sei es schwierig, eine Änderung herbeizuführen. Kooperation könne hier sicher helfen. Einig waren sich die Vertreter von Universitäten und Fachhochschulen sowie Verbänden, die Führungskräfte aus Unternehmen mit ver.di, dass man diese Situation ändern muss. Ein Weg ist, im Gespräch zu bleiben und gemeinsam Anforderungen gegenüber der Politik zu formulieren, damit Logistik ihren Wert erhält. Bündnisse dazu sind möglich.