Postgesetz endlich verabschiedet

© Christian von Polentz
Stimmungsbild von der Kundgebung am Brandenburger Tor
05.08.2024

Nach intensiven Diskussionen und langwierigen Verhandlungen ist das neue Postgesetz nun endlich verabschiedet. Um die Bedeutung und Auswirkungen dieser gesetzlichen Neuerung zu beleuchten, hat die Redaktion von be.wegen ein Gespräch mit der stellvertretenden ver.di-Vorsitzenden und Bundesfachbereichsleiterin Andrea Kocsis geführt.

be.wegen: Liebe Andrea, endlich ist das Postgesetz von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden und tritt am 1. Januar 2025 in Kraft. Es war ein langer Weg. Bist du mit der Novelle zufrieden?

Andrea: Es war wirklich ein langer und steiniger Weg! Seit zwei Jahren arbeiten wir daran, dass das Gesetz für unsere Mitglieder positiv wird und haben uns bei jedem Schritt des Gesetzgebungsverfahrens eingebracht. Für mich kann ich sagen, dass das Gesetz Licht und Schatten hat. Einiges ist positiv, einiges bleibt hinter unseren Forderungen zurück.

Was mir der ganze Prozess aber wieder einmal gezeigt hat, ist der Druck, den wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern auf die Straße bringen können. Ich bin mir sicher, dass ohne unsere große Kundgebung mit 30.000 Postler*innen in Berlin im Oktober 2023 das Thema Arbeitsbedingungen nicht so eine große Rolle im Gesetzgebungsverfahren gespielt hätte. Wir haben eine Kennzeichnungspflicht für schwere Pakete, eine 20-Kilo-Grenze für Pakete, eine Ausweitung der Lizenzpflicht auf die Paketbranche und eine Sicherstellung des Universaldiensts gefordert – und sind bei vielen dieser Forderungen vorangekommen.

be.wegen: Ein Großteil der Berichterstattung über das neue Postgesetz konzentriert sich auf die Verlängerung der Brieflaufzeiten – ab nächstem Jahr haben wir E+3. Das wird von vielen kritisch gesehen. Wie siehst du das?

Andrea: Das neue Postgesetz ist die erste große Novelle des Postgesetzes seit 25 Jahren. Vieles hat sich in unserer Kommunikation verändert und damit auch die Bedeutung des Briefs. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, schnell über das Internet zu kommunizieren. Die Notwendigkeit, dass ein Brief am nächsten Tag da sein muss, ist für viele nicht mehr nachvollziehbar. Es war in der Politik nicht mehr aufzuhalten, dass die Laufzeiten gelockert werden. Der Universaldienst bleibt aber erhalten – die Zustellung an jede Haustür an sechs Tagen in der Woche. Das ist wichtig, denn jeder Tag weniger hätte tausende Arbeitsplätze gekostet.

Die neuen Laufzeiten werden betriebliche Veränderungen mit sich bringen, aber die Arbeitsplätze unserer Mitglieder bei der Deutschen Post sind nicht gefährdet. Sie sind zunächst durch unsere Tarifverträge geschützt, die betriebsbedingte Kündigungen ausschließen. Darüber hinaus will die Post weiterhin Pakete schnell zustellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das wird zunehmend in der Verbundzustellung sein. Wir müssen uns andere Fragen stellen: Welche Mehrbelastung bedeutet das für unsere Mitglieder? Wo sehen wir Möglichkeiten, die Belastung zu reduzieren? Da werden wir die Arbeitgeber in die Pflicht nehmen.

 
Andrea Kocsis auf der großen Postkundgebung am 8. Oktober 2023

be.wegen: Die körperliche Belastung in der Post- und Paketbranche ist für unsere Mitglieder ein großes Thema. Wir haben gefordert, dass die Politik eine 20-Kilo-Grenze für Pakete im Ein-Person-Handling umsetzt. Wie bewertest du die Regelungen im neuen Postgesetz?

Andrea: Die Regelung im Postgesetz ist enttäuschend. Die Bundesregierung hat hier die Chance vertan, klar zu regeln, dass 20 kg und mehr zu viel für eine Person sind. Stattdessen heißt es im Gesetz, dass Pakete über 20 kg nicht von einer Person zugestellt werden dürfen, „es sei denn, einer einzelnen Person steht für die Zustellung ein geeignetes technisches Hilfsmittel zur Verfügung“. Das ist weder Fisch noch Fleisch und lässt die Frage offen, was überhaupt ein geeignetes technisches Hilfsmittel ist. Wir kennen jedenfalls keins.

Die Bundesregierung will das noch dieses Jahr in einer Verordnung festlegen.

Jetzt ist der Bundesarbeitsminister am Zug. Er muss in dieser entsprechenden Verordnung festlegen, dass beispielsweise eine Sackkarre kein geeignetes Hilfsmittel ist. Damit würde die 20-Kilo-Grenze künftig de facto eingeführt -werden. Pakete zustellen ist und bleibt Schwerstarbeit. Die Bundesregierung muss dafür sorgen, weil die Arbeitgeber es freiwillig nicht machen, dass dies nicht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten geht. Wir halten auf jeden Fall den Druck in der Sache hoch.

Aber die Kennzeichnungspflicht für Pakete über 10 und 20 kg ist gut. Dann weiß man, wie schwer ein Paket ist, bevor man es anhebt. Wir werden natürlich darauf achten, dass das wirklich überall umgesetzt wird. Da spielen auch die Betriebsräte eine wichtige Rolle.

be.wegen: Das von ver.di geforderte Verbot von Subunternehmen ist nicht gekommen. Trotzdem feiert die Bundesregierung, dass die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche besser werden. Was können wir erwarten?

Andrea: Unsere Forderung nach einem Verbot von Subunternehmen in der Paketbranche wäre der richtige Weg gewesen. Damit hätte die Bundesregierung aus den guten Erfahrungen mit dieser Maßnahme in der Fleischindustrie lernen können und den prekären Arbeitsbedingungen einen Riegel vorschieben können. Das war mit der jetzigen Koalition nicht durchsetzbar.

Es ist aber gut, dass die Koalition endlich die massiven Probleme in der Branche anerkennt und angeht. Es gibt jetzt eine Lizenzpflicht in der Paketbranche, die an die Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze gekoppelt ist. Die Auftraggeber müssen nun überprüfen, ob die beauftragten Subunternehmen diese Vorschriften einhalten. Dafür müssen die Subunternehmen Daten zu den gefahrenen Routen, den Arbeitszeiten und der Bezahlung ihrer Mitarbeiter*innen zur Verfügung stellen. Die Kontrollbehörden sollen dies auch überprüfen können.

Mit diesen Maßnahmen wird die Luft für ausbeuterische Subunternehmen dünner, aber sie können weiterhin in der Branche agieren. Wir bezweifeln, dass die Kontrollen in der Praxis ausreichen, um dem Missbrauch wirksam zu begegnen, zumal es in den kleinen Subunternehmen so gut wie nie Betriebsräte gibt. Wir werden auch hier nicht locker lassen, bis sich die Arbeitsbedingungen verbessern!

 
ver.di-Betriebsräte der Deutschen Post aus den Niederlassungen Paket Berlin und Berlin 1 vor dem Bundesrat

be.wegen: Und der Universaldienst ist sichergestellt? Warum war das für dich so wichtig?

Andrea: Der Universaldienst bleibt mit kleinen Änderungen erhalten. Das ist eine gute Nachricht und – wenn man unsere Nachbarländer anschaut  – keine Selbstverständlichkeit. Das ist nicht nur für die Kund*innen wichtig, sondern auch für unsere Mitglieder bei der Deutschen Post AG, deren Arbeitsplätze daran hängen.

Genauso wichtig ist, dass die ausreichende Finanzierung des Universaldienstes gesichert ist. Das ist für uns wichtig, weil das Unternehmen mit der Brief- und Paketzustellung so viel verdienen muss, dass die Arbeitsplätze sicher sind und Geld für Tariferhöhungen da ist. Mit Blick auf die Tarifrunde im nächsten Jahr ist das eine positive Entwicklung, wenn auch kein Automatismus.

Danke Andrea! Und danke an alle Kolleg*innen, die sich mit uns für ein gutes Postgesetz eingebracht haben!