Die Sektion Straßentransport der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) wählte am 20. März 2024 Stefan Thyroke, Bundesfachgruppenleiter Speditionen, Logistik und KEP bei ver.di, zu ihrem Präsidenten.
Es liegt in der Natur der Sache, dass Logistik oft ein grenzüberschreitendes Geschäft ist. Ob es sich um Autoteile aus der Fabrik oder Lebensmittel aus dem ländlichen Raum handelt, die Waren aus Deutschland können schon wenige Tage später in Spanien sein. Hinter dem Steuer der LKW sitzen Menschen aus der ganzen Welt – Arbeitnehmer*innen, die dafür sorgen, dass die Lieferketten funktionieren. Ihre Arbeit überschreitet ständig nationale Grenzen. Diese internationale Arbeit erfordert internationale Gewerkschaftsarbeit – und genau das ist die Aufgabe der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF).
Unter welchen Bedingungen LKW-Fahrer*innen in Deutschland arbeiten, wurde einer breiteren Öffentlichkeit letztes Jahr in Gräfenhausen deutlich vor Augen geführt (be.wegen berichtete: t1p.de/ehydj). Unterstützung erhielten die Kolleg*innen von der ETF. Zwar mag Gräfenhausen ein besonders erschreckendes Beispiel darstellen, dennoch sind viele Fahrer*innen monatelang auf Tour unterwegs, leben in ihren Fahrerkabinen und das oft zu illegalen Dumpinglöhnen.
Diese Situation zu verbessern, hat für den neuen Präsidenten der Straßentransportsektion der ETF Priorität. Dafür will er die Stiftung „Road Transport Due Diligence“ (RTDD, Deutsch: Sorgfaltspflicht im Straßentransport) unterstützen. Die gewerkschaftsnahe RTDD bietet Unternehmen an, ihre Prozesse im Rahmen des Lieferkettensorgfaltspflichtgesetzes auf Menschenrechtsverletzungen zu prüfen. „Für uns ist es natürlich von Vorteil, wenn eine gewerkschaftsnahe Stiftung die Arbeitsbedingungen in den Lieferketten untersucht. Da wird nichts einfach durchgewunken“, erklärt Thyroke. Große Unternehmen wie Ikea und Nestle haben von diesem Service bereits Gebrauch gemacht.
Thyroke strebt an, ETF-Road-Inspektor*innen – analog zu den ITF-Inspektor*innen – auf Raststätten sowie an Be- und Entladungspunkten in Europa zu etablieren. Die ITF-Inspektor*innen sind bereits seit 1971 in der maritimen Wirtschaft tätig – sie sind Beauftragte der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF) und überwachen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Seeleute. Jedes Jahr führen sie mehr als 10.000 Inspektionen durch. „Das ist ein bewährtes Modell, das bei den Seefahrerinnen funktioniert und auch in unserer Branche erfolgreich sein könnte“, erklärt Thyroke.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt darin, den Ausbau des Beratungsnetzwerks „Faire Mobilität“ europaweit voranzutreiben. „Faire Mobilität“ bietet Beschäftigten aus Mittel- und Osteuropa Informationen, Beratung und Unterstützung zu ihren Rechten auf dem deutschen Arbeitsmarkt in ihren jeweiligen Herkunftssprachen. „Die Probleme treten jedoch europaweit auf. Deshalb brauchen wir in jedem EU-Mitgliedsstaat so ein Beratungsnetzwerk“, betont Thyroke.
Regine Weigandt und Bastian Lindenbauer