Gern und oft denken wir sehnsuchtsvoll an den Sommerurlaub zurück. Manch eine*r Kolleg*in mag sich fragen, unter welchen Bedingungen eigentlich die Beschäftigten unseres Bereichs im Urlaubsland arbeiten. Wir haben dazu Dimitris Theodorakis -gefragt, der seit elf Jahren bei Uni Europa, der Dachorganisation der europäischen Dienstleistungsgewerkschaften, für den Sektor Post und Logistik verantwortlich ist. Das hat er uns erzählt:
Spanien
Correos in Spanien ist ein zu 100 Prozent staatliches Unternehmen, das vor allem Briefzustellungen, Telekommunikationsangebote sowie Leistungen für das Dokumentenmanagement bietet und Infrastruktureinrichtungen betreibt. In dem Land mit seiner langen gewerkschaftlichen Tradition ist auch der Postdienst stark gewerkschaftlich organisiert.
Insgesamt ist der Postbereich in Spanien kein blühender Wirtschaftszweig, das Lohnniveau ist in den letzten Jahren nicht gestiegen. Die Coronapandemie brachte viele Schwierigkeiten mit sich, für die die Beschäftigten keine Kompensation erhielten. Correos arbeitet nicht sehr intensiv mit Subunternehmen, dennoch gelten innerhalb des Unternehmens unterschiedliche Tarifverträge: Manche Beschäftigten genießen die traditionell recht guten Konditionen des öffentlichen Dienstes, andere müssen unter schlechteren Bedingungen mit niedrigeren Tarifen und mehr Flexibilität arbeiten.
Abgesehen vom Paketvolumen, das von Correos abgewickelt wird, ist der Paketmarkt schwierig, es herrscht großer Wettbewerbsdruck. Die Correos-Gruppe hat es nicht geschafft, signi-fikante Marktanteile im Paketmarkt zu erlangen. Spanien ist ein großes Land und so betreiben die Wettbewerber in ländlichen Regionen selbstständig Auslieferungen. Um die Privatisierung der Paketzustellung wird heftig diskutiert.
Das große Problem ist der Mangel an Regulierungen rund um den Logistikmarkt. Dort agieren Unternehmen, deren Vorgehen mit den Stichworten „Uber-Modell“ und „Amazonisierung“ beschrieben werden kann.
Italien
Die Poste Italiane S.p.A. in Italien ist eine börsennotierte -Aktiengesellschaft, der Staat hält ca. 64 Prozent, der Rest ist kapitalisiert. Ende der 1990er-Jahre gingen bei der italienischen Post aufgrund von Verkäufen, Restrukturierungen usw. fast 20.000 Arbeitsplätze verloren. Den Niedergang des Brief-geschäfts versuchte man in Italien über Diversifizierungen auszugleichen. Neben Postdienstleistungen werden Kommunikations-, Logistik-, Versicherungs- sowie Finanzdienstleistungen für das ganze Land angeboten. Letztlich hat die -Diversifizierung den Weiterbestand der italienischen Post gesichert, erkauft wurde er mit einem hohen Grad von Flexibilisierung und Teilzeit- bzw. geringfügiger Beschäftigung.
Italien hat eine lange gewerkschaftliche Tradition, die Gewerkschaftsstruktur ist jedoch zersplittert; es gibt zwölf Postgewerkschaften, die oft sehr lokal aufgestellt sind. Größte Gewerkschaft ist die 1948 gegründete Confederazione Italiana Sindacati Lavoratori (CISL). Sie hat Tarifverträge und Tarifabkommen für die Postbeschäftigten abgeschlossen.
Die Poste Italiana liefert den größten Teil der Amazon-Bestellungen aus. Im Zuge dessen haben die Postbeschäftigten Einkommensverluste hingenommen, ein weiterer Rückgang der Beschäftigung konnte aber aufgehalten werden. Jetzt geht es wieder stärker um bessere Löhne und Arbeits- bedingungen für die Postbeschäftigten. In Italien liegendie Einkommen und Arbeitsbedingungen im Transport- und Logistiksektor im Argen, Tarifverträge in diesem Bereich müsssen errungen werden.
Schweden
Eine staatliche Gesellschaft ist die Post in Schweden. Seit 2009 werden 60 Prozent davon vom schwedischen und 40 Prozent vom dänischen Staat gehalten. Das Unternehmen PostNord deckt beide Länder ab. Schweden war eines der ersten Länder, das seine Postdienste komplett liberalisierte.
Die Definition der universellen verpflichtenden Postdienstleistungen wurde verschlechtert, die Auslieferung anhand der geografischen Gegebenheiten differenziert: Je nach Zielort gibt es beispielsweise im allgemeinen Zustelldienst die Qualitätsvorgabe, eine „Auslieferung plus einen Tag“ oder eine „Auslieferung plus zwei Tage“.
Seit 2000 hat PostNord alle Postdienststellen durch ein Franchise--Netzwerk ersetzt. Post-Servicepoints gibt es beispielsweise in Supermärkten oder Schreibwarenläden. Einige wenige staatliche Post-center sind ausschließlich Businesskunden vorbehalten. Trotz eines gewissen -Maßes an Subunternehmertum und der Flexibilisierung von Arbeitsbedingungen ist der Wettbewerb vergleichsweise kontrolliert – nicht zuletzt, weil die Preise reguliert sind.
Traditionell sind Tarifverträge in den skandinavischen Ländern eine Selbstverständlichkeit; sie decken meist verschiedene Sektoren zugleich ab. In unserem Bereich gelten sie gleichermaßen für Post-, Logistik- und Transportdienste. In Schweden wurde erreicht, für was Gewerkschaften in anderen Ländern kämpfen: Obwohl der Markt vollständig dereguliert ist, haben die Gewerkschaften Gewicht und können auf ihre ganz eigene schwedische Art gute Arbeitsbedingungen verhandeln.
Dänemark
In weniger als fünf Jahren sind in Dänemark 90 Prozent des Briefaufkommens verloren gegangen: Die Regierung hat sich für ein umfassendes e-government entschieden. Man kann dort von der Scheidung bis zum Hauskauf alles online erledigen, ohne jemals auf einem Blatt Papier etwas unterschreiben zu müssen. Die Definition eines allgemeinen Postdienstes ist auf ein absolutes Minimum zurückgeschraubt. Und so geht es dort gewerkschaftlich darum, zumindest einige Beschäftigte in andere Bereiche zu vermitteln.
Österreich
Die Österreichische Post ist eine Aktiengesellschaft, deren Aktien an der Wiener Börse gehandelt werden. Sie bietet nur Express-Paketdienste und Postauslieferungen an, ist nicht in -andere Bereiche diversifiziert. Die Beschäftigten sind gewerkschaftlich gut organisiert. Hauptgewerkschaft ist die „Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten“ (GPF). Sie hat kürzlich eine gute Tarifvereinbarung mit einem zehnprozentigen Lohnanstieg ausgehandelt, wie in Deutschland gab es eine Ausgleichszahlung wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten.
In Österreich sind nicht viele Subunternehmer auf dem Post- und Paketmarkt tätig, aber seit der Restrukturierung des Postnetzes erfolgte eine starke Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen. Insgesamt ist die Post wettbewerbsfähig geblieben; sie versucht, den Anteil an der Paketzustellung zu steigern, um die Verluste im Briefmarkt zu kompensieren. Post- und Logistikservices werden von bundeseinheitlichen sektoralen Tarifverträgen bedeckt. Dennoch versuchen einige Anbieter gute Arbeitsbedingungen zu untergraben.