Die Arbeitsbedingungen von Postzusteller*innen stehen im Fokus juristischer Auseinandersetzungen. Zwei wichtige Entscheidungen zur Einstufung von Arbeitnehmer*innen bei der Deutschen Post AG (DP AG), die nach dem 30. Juni 2019 entfristet wurden, haben deutlich gemacht, dass die bisherige Praxis der DP AG gegen geltendes Recht verstößt.
Am 1. Juli 2019 trat im Entgelttarifvertrag der Deutschen Post AG eine Regelung in Kraft, die vorsieht, dass bei Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses die Arbeitnehmer*innen erst alle vier, später alle drei Tätigkeitsjahre in eine höhere Gruppenstufe wechseln. Strittig war, ob die Entfristung eines bestehenden befristeten Arbeitsverhältnisses die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ist. In der Praxis wird dies bei der Deutschen Post so gehandhabt, zumal es eine alte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes gab, die dies bestätigte. Diese Auffassung wurde vom BAG jedoch geändert.
Wegweisende Urteile
Ein wegweisendes Urteil des Arbeitsgerichts Würzburg vom 15. Dezember 2021 stellte die Praxis der DP AG in Frage. Das Gericht entschied, dass die Eingruppierung von Arbeitnehmer*innen, deren befristeter Vertrag nach dem 30. Juni 2019 entfristet wurde, nicht als Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses gewertet werden kann. Daher müssten die betreffenden Arbeitnehmer*innen nach dem Entgelttarifvertrag ggf. in eine höhere Gruppenstufe eingestuft werden, was eine höhere Entlohnung zur Folge hätte.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Würzburg blieb nicht die einzige in dieser Sache. Im Februar 2024 bestätigte auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg diese Rechtsauffassung, im April 2024 folgte das LAG Hamm. Die Gerichte entschieden, dass die unbefristete Fortsetzung eines zuvor befristeten Arbeitsverhältnisses nicht als Neubegründung im rechtlichen und tariflichen Sinne zu verstehen ist. Diese Entscheidungen stärken die Position der Arbeitnehmer*innen und stellen klar, dass die bisherige Praxis der DP AG juristischen Entscheidungen widerspricht.
Arbeitgeber weigert sich
ver.di hatte im Juli den Arbeitgeber in einem Brief aufgefordert, den Missstand zu korrigieren. Entgegen den Urteilen und unserer Aufforderung hält der Arbeitgeber an seinem Kurs fest und weigert sich, die höhere Einstufung ohne Klage umzusetzen. Stattdessen setzt die DP AG auf eine Berufung gegen die Urteile und auf einen Vergleich mit den Kläger*innen. Die Entscheidung vom LAG Hamburg wurde vor dem BAG verglichen, damit ist dieses Urteil nicht rechtskräftig. Jeder einzelne Beschäftigte muss nun mit Hilfe von ver.di sein Recht einklagen.
„Es ist unfassbar, dass der Arbeitgeber nicht auf die betroffenen Kolleginnen und Kollegen zugeht und von sich aus dieses Unrecht wieder gut macht und die herrschende Rechtsprechung respektiert“, kommentiert Bundesfachgruppenleiter Thorsten Kühn. „Jedes ver.di-Mitglied, das hier betroffen ist, sollte seine Ansprüche über den ver.di-Rechtsschutz geltend machen!“
Die jüngsten Entscheidungen der Landesarbeitsgerichte in Hamburg und Hamm zeigen, dass es sich lohnt, für die eigenen Rechte einzutreten und gegen unfaire Praktiken vorzugehen. Sollten weitere Gerichte dieser Auffassung folgen, könnte dies bedeuten, dass zahlreiche Beschäftigte rückwirkend Anspruch auf eine höhere Einstufung und damit auf eine bessere Bezahlung haben.
Du hast vor dem 30. Juni 2019 befristet bei der DP AG gearbeitet und bist danach entfristet worden? Dann melde dich beim zuständigen ver.di-Rechtsschutz: ver.di finden | ver.di (verdi.de)