Das Arbeitsleben birgt viele Gefahren. Plötzlich ist es passiert. Einen Moment unaufmerksam und schon ist ein Schaden entstanden. Man wird zur Kasse gebeten. Gerade in unserem Fachbereich sind bei Schäden, die im -Arbeitsalltag entstehen, die Arbeitgeber schnell mit Regressforderungen bei der Hand. Was Beschäftigte beachten müssen und wie sie sich gegen die Arbeitgeberforderungen wehren können, erklärt Matthias Knüttel, -Geschäftsführer der gewerkschaftlichen Unterstützungseinrichtung GUV/FAKULTA, im Interview.
bewegen: In welchen Fällen müssen denn die Beschäftigten gegenüber dem Arbeitgeber haften?
Matthias Knüttel: Grundsätzlich hängt die Arbeitnehmerhaftung davon ab, um welche Art von Schaden es sich handelt und wer den jeweiligen Schaden verursacht hat. Immer dann, wenn eine Fahrlässigkeit im Spiel ist, gibt es Probleme. Das zeigt uns die langjährige Praxis.
bewegen: Welche Regressforderungen sind im ver.di-Fachbereich PSL an der Tagesordnung?
Matthias Knüttel: Oft sind Abrollschäden an Fahrzeugen in der Verbund- und Paketzustellung Gegenstand von Forderungen. Nämlich dann, wenn z.B. ein Zustellfahrzeug vom Abstellort wegrollt, weil sich die Handbremse gelöst hat. Andererseits sind Falschbetankungen bei Zustellfahrzeugen keine Seltenheit. Statt Diesel wurde Benzin getankt. Eventuell muss sogar der Motor getauscht werden. Hier entstehen ganz schnell Kosten von mehreren Tausend Euro. Regressforderungen sind u.a. aber auch bei verlorenen Dienstschlüsseln zu befürchten. Wenn eine Schließanlage ausgewechselt werden muss, wird es ganz schnell richtig teuer.
bewegen: In welcher Höhe werden Regressforderungen gestellt?
Matthias Knüttel: Gesetzlich gibt es hier keine Grenzen. Die Rechtsprechung hat die Haftung jedoch begrenzt. Bei leichter Fahrlässigkeit (z.B. Versehen) haftet der Arbeitnehmer gar nicht. Bei mittlerer Fahrlässigkeit, grober Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz sieht das dann schon anders aus. Hier kann es die Beschäftigten dann finanziell hart treffen. Gemäß Manteltarifvertrag der Post haften Beschäftigte nur bei grober Fahrlässigkeit und dies mit maximal drei Brutto-Monatsgehältern. Um die Regressforderung geltend machen zu können, unterstellt die Post jedoch oftmals grobe Fahrlässigkeit.
bewegen: Kannst Du ein Beispiel geben, wie so etwas läuft?
Matthias Knüttel: Angenommen, ein Postbeschäftigter hat mit einem relativ neuen Zustellfahrzeug einen Abrollschaden. Der Schaden beläuft sich auf 12.000 Euro. Der Zusteller, der das Fahrzeug gefahren hat, verdient 2.500 Euro brutto. Maximal kann der Arbeitgeber somit den Zusteller nach den tariflichen Regelungen mit 7.500 Euro in Regress nehmen. Den Rest bis zur vollen Schadenshöhe von 12.000 Euro hat der Arbeitgeber dann selbst zu tragen.
bewegen: Du sagtest, die Post unterstellt sehr rigoros grobe Fahrlässigkeit. Warum ist das so?
Matthias Knüttel: Die Post sieht sich als DAX-Unternehmen in erster Linie den Aktionären verpflichtet. Der einzelne Beschäftigte zählt daher nur sehr wenig. Es gibt Mitarbeiter, die arbeiten jahrzehntelang fehlerfrei. Durch eine Unaufmerksamkeit passiert ein Fehler und der Beschäftigte wird in die Haftung genommen. Die Post selbst spricht von Schäden in Millionenhöhe und versucht mit System, sich möglichst schadfrei zu halten. Und damit das funktioniert, hat sie ein bundesweit agierendes „Team Regress“ installiert. Also quasi ein modernes „Inkassounternehmen zur Schadensregulierung“.
bewegen: Und das fordert Geld von den Beschäftigten, bevor der Sachverhalt eindeutig geklärt ist?
Matthias Knüttel: Richtig. Es behält oftmals sofort einen Teil des Lohns vom Beschäftigten ein. Das machen andere Arbeitgeber im Kurier-, Express- und Paketdienst übrigens genauso. In solchen Fällen hilft dann nur noch der Klageweg über den ver.di-Rechtsschutz.
bewegen: Ist das legal?
Matthias Knüttel: Darüber streiten die Gerichte noch. Eine Vielzahl der Betroffenen nehmen die Regressforderungen einfach hin. Teilweise sind das befristet Beschäftigte, die um ihren Job fürchten oder weil sie das Ganze gar nicht verstehen. Andere verstehen z.B. nicht, was mit dem Hinweis „Tilgungsrate Schaden“ überhaupt vom Lohn abgezogen wird. Wer Mitglied bei ver.di und der GUV/FAKULTA ist, bekommt Hilfe. Mein Rat an die Mitglieder: Betriebsrat oder Gewerkschaft aufsuchen und sich beraten lassen. Die wissen, was in solchen Fällen zu tun ist.
bewegen: An welcher Stelle kommt die GUV/FAKULTA ins Spiel?
Matthias Knüttel: Zunächst muss geklärt werden, ob die Schadensforderung berechtigt ist. Das geht zunächst über den ver.di-Rechtsschutz. Wenn dann ein Arbeitnehmer, der bei uns Mitglied ist, zur Zahlung verpflichtet wird, sind wir für ihn da und helfen ihm.
bewegen: Was ist die GUV/FAKULTA überhaupt?
Matthias Knüttel: Wir sind eines nicht – eine Versicherung. Die GUV/FAKULTA ist eine Unterstützungseinrichtung der DGB-Gewerkschaften. Seit nunmehr 113 Jahren sind wir ein verlässlicher Partner der Beschäftigten, wenn es um Fragen der Haftung im Berufsleben geht. Mitglied bei uns werden können alle, die auch Mitglied einer DGB-Gewerkschaft sind. Unser Beitrag beträgt derzeit jährlich 24 Euro oder 2 Euro im Monat und ist steuerlich absetzbar.
bewegen: Handelt die GUV/FAKULTA schnell und unbürokratisch?
Matthias Knüttel: Wenn der Unterstützungsantrag gestellt ist und ver.di die Mitgliedschaft und den gezahlten Beitrag bestätigt, bearbeiten wir den Fall normalerweise innerhalb einer Woche. Es ist uns wichtig, den Menschen schnell, einfach und unbürokratisch Hilfe zukommen zu lassen.
bewegen: Was ist zu tun, wenn ein Schaden eintritt?
Matthias Knüttel: Hier empfehle ich zunächst in allen Fällen Ruhe zu bewahren. Bei Unfällen sollte zunächst – falls erforderlich – Erste Hilfe geleistet werden oder Hilfe organisiert werden. Überdies ist der Arbeitgeber und am besten auch der Betriebsrat umgehend zu informieren. Angaben zur Sache oder das Eingestehen von Fehlern sind tunlichst zu vermeiden. Ebenso die Abgabe schriftlicher Erklärungen. Hingegen können Angaben zur Person jederzeit gemacht werden. Sollten in der Folge Forderungen des Arbeitgebers an die Beschäftigten gerichtet werden, sind diese zunächst zu prüfen. Generell empfehlen wir allen Beschäftigten nichts voreilig zu unterschreiben, anzuerkennen oder gar Zahlungen zu leisten.
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